Von Beate Geibel und Melanie Pozo Alcocer
Darum geht’s in HINDAFING
Die kleine Gemeinde Hindafing, inmitten veralteter Industrie, weit entfernt von einer bayerisch-weißblauen Idylle, versucht, sich ein neues Image aufzubauen. Bürgermeister Alfons Zischl (Maximilian Brückner) verfolgt dazu mit Bio-Metzger Sepp Goldhammer (Andreas Giebel) schon länger den ehrgeizigen Plan, in ihrem Ort ein modernes Shoppingcenter zu errichten, das vom Erfolg der aktuellen Ökotrends profitiert: das Donau Village.
Doch die Landespolitik macht ihnen einen Strich durch die Rechnung, als die Gemeinde 50 Flüchtlinge aufnehmen soll. Die Bewohner von Hindafing sehen sich selbst zwar als familienorientierte und traditionsbewusste freie Denker, haben aber auch mit ihren Dämonen zu kämpfen. So gehen kirchentreue Bewohner tagsüber in den Fußballverein und üben Bikram Yoga, nachts geht es dann aber in den Swingerclub oder zum Rendezvous mit dem lokalen Drogendealer. Welten treffen aufeinander und bringen das Dunkelste der Menschen zum Vorschein. Ein provinzieller Supergau.
Hier könnt Ihr einen Blick in den Trailer werfen…
Was Beate sagt…
Die Wiedergeburt des Deutschen Fernsehens! Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal, ach Quatsch, jemals eine deutsche TV Serie weggeatmet, sprich in einem Rutsch durchgeschaut hab und dabei dachte, wie, nur sechs Folgen, ich will mehr!
„Hindafing“ heißt das Ding, das ich hier so abfeier. Das Konzept der Serie auf Weltklasseniveau entstammt einer Serienausschreibung des Bayerischen Rundfunks in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Die Bücher zur Serie entstanden dabei im Writer’s Room der Produktionsfirma Neuesuper und stammen vom Dreigestirn Produzent Rafael Parente, Autor Niklas Hoffmann und Regisseur Boris Kunz.
Meine Gefühlswelt beim Anschauen der Serie schwankte permanent zwischen Dauer-Fremdschäm, Sprachlosigkeit, lautem Gelächter, ungläubigem Staunen und purer Faszination. Das Ding ist dermaßen schwarz, strotzt nur so vor aberwitziger Situationskomik und tritt den deutschen Cliches dabei genüsslich und mit Anlauf in den fetten Arsch. Flüchtlingsunterbringung, Gammelfleischskandale, Inzest, Panama Papiere, Integration, Demenz, Korruption, getragen von einem genialen Freejazz Soundtrack, mal eben locker, flockig verwoben zu einem fast apokalyptisch anmutenden Schauspiel, dass selbst Shakespeare nicht besser hätte schreiben können.
Über allem thront der Hauptdarsteller Maximilian Brückner, den ich seit Jahren für den besten deutschen Schauspieler von internationalem Top-Niveau halte, dessen unglaubliche Kraft einem vorm Bildschirm geradezu anspringt. Er ist phänomenal in der Rolle des Alfons Zischl, einem korrupten, hochverschuldeten, Crystal Meth konsumierenden Bürgermeister eines Kaffs irgendwo im Nirgendwo Bayerns, der es mit seiner Schlitzohrigkeit und der Fähigkeit zur blitzschnellen Antizipation schafft, sich aus jeder noch so hoffnungslosen Situation zu lösen, nur um sich dann, getrieben von den eigenen Dämonen, direkt im nächsten Schlamassel wiederzufinden.
Ihm dabei zuzuschauen, ist pure Freude und allerbeste Unterhaltung. Wenn der Brückner dafür nicht jeden Preis einsammelt, den es zu vergeben gibt, dann fahr ich höchstpersönlich da hin und frag die Jury, ob sie nicht alle Latten am Zaun hat.
Fazit: Für mich steht „Hindafing“ ab jetzt in einer Reihe mit „Fargo“ und „Breaking Bad“. SO, ich hab’s gesagt. Hallelujah! 10 von 10 Punkten
Was Mel sagt…
WOW! Was für eine Serie! Dass ich das mal über eine deutsche Produktion sagen würde, hätte ich ehrlicherweise NIEMALS für möglich gehalten. Selbst, wenn mich mal eine Story überzeugt, kann ich mich nie mit dem hölzernen Schauspiel anfreunden. Zu authentisch und echt wirken dagegen internationale Produktionen – zu sehr wie Theater und übertriebenes Darstellen empfinde ich das in der Regel hierzulande.
Doch vor „Hindafing“ ziehe ich meinen Hut und nehme alle Vorurteile, die ich je über deutsche Serien und Schauspieler gehegt habe, wieder zurück! Es geht scheinbar doch, wenn man die richtigen Leute machen lässt. Es geht scheinbar doch, wenn Story und vor allem Dialoge homogen sind – und funktionieren. „Hindafing“ sollte als künftiges Vorbild dienen. Weg mit dem veralteten, ausgetrockneten Redakteurssystem und ein klares „JA!“ zum Writer’s Room Konzept, das International schon lange ausgeübt wird.
Es gibt fast nichts mehr zu sagen als: Schaut unbedingt diese Serie (ans Bayerische gewöhnt man sich), wenn Ihr auf eine schlaugemachte, spannende Story steht, die jegliche Bandbreite an Emotionen hervorruft. Und: ein Hoch auf Maximilian Brückner, der wahnsinnig gut spielt und überzeugt – genauso wie sämtliche Nebendarsteller.
Fazit: Jawoll! Endlich eine sau-gute deutsche Serie! 10 von 10 Punkten!
PS: Die Serie ist seit 1. Juni 2017 im Handel. STAY TUNNED… Gewinnspiel dazu bei uns ab morgen!
© BR | DasErste.de | Günther Reisp