Filmkritik zum Kinostart von STELLA. EIN LEBEN.

STELLA. EIN LEBEN. ist ein packender Film von Kilian Riedhof.

Der Film erzählt die erschütternde Geschichte einer jungen Frau, die – konfrontiert mit dem brutalen System eines Verbrechensstaates – keinen anderen Ausweg findet, als andere und damit auch sich selbst zu verraten. 

Wie mir der Film gefallen hat, der ab dem 25. Januar 2024 in die Kinos kommt, könnt Ihr in meinem Microfazit anhören:

Hier könnt ihr einen Blick auf den Trailer werfen…

Über den Film und seine Protagonisten

Berlin, August 1940. Die 18-jährige Stella Goldschlag und ihre Freunde leben für den Jazz. Ihr größter Wunsch: ein Engagement in New York, der Stadt, in der die Musik von Cole Porter und Louis Prima zu Hause ist. Stella träumt von schönen Kleidern und einer Karriere als Jazzsängerin. Sie sehnt sich danach, dem Krieg und den Gefahren in Deutschland zu entkommen. Als Tochter jüdischer Eltern ein Traum, der wenig Chancen hat, wahr zu werden.

Drei Jahre später sind alle Hoffnungen, alle Bemühungen der Eltern um eine gemeinsame Auswanderung in die USA dem verzweifelten Kampf ums Überleben gewichen. Stella und ihre Mutter entgehen nur knapp der Deportation, als sie als Zwangsarbeiterinnen für die Rüstungsindustrie nicht mehr gebraucht werden. Die Familie taucht unter.

Bei dem Versuch an gefälschte Lebensmittelkarten zu kommen, lernt Stella Rolf Isaaksohn kennen und verliebt sich in den draufgängerischen Passfälscher. Die beiden werden zu einem skrupellosen Duo auf dem Berliner Schwarzmarkt, bis sie von der Gestapo geschnappt werden. Um sich und ihre Eltern zu retten, fängt Stella an, für die Gestapo zu arbeiten. Sie soll untergetauchte jüdische Mitbürger aufspüren und denunzieren…

Das Skript: Die Filmkritik zum Nachlesen…

Wie hat dir denn dieser Film gefallen?

Ich bin so ein bisschen zwiegespalten, was das angeht. Ich meine, es ist generell natürlich eine schwierige, eine heikle Geschichte. Der Umgang der Deutschen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ist ja vielschichtig. Das Problem ist halt, dass es nicht nur deutsche Täter gibt, sondern auch deutsche Opfer. Es gibt eine Balance und wenn du eine Balance hast, wie gehst du denn dann damit um, dass es eventuell auch jüdische Täter gegeben hat?

Der Regisseur Kilian Riedhof hat sich dieser Sache angenommen und hat versucht dieses sehr ambivalente Thema irgendwie in Form eines Filmes zu bannen. Und es ist ihm halt bedingt gelungen, finde ich. Weil das Problem an der ganzen Sache ist: Er hat den Mut, das Thema anzugreifen, aber nicht die Figur zu hinterfragen. Denn sie inszeniert sich. Das kann man auch nachlesen bei den Verhören, die es später mit ihr gab, also nach dem Krieg, wo sie dann als Kollaborateurin angeklagt war. Da hat sie immer wieder nur davon gesprochen, dass sie gezwungen wurde und dass sie keine andere Chance gehabt hat. Aber es gibt genug Aussagen von anderen, die sagen, sie hätte da eine Zeit lang sogar Spaß dran gehabt und das hätte ihr gefallen.

Obwohl für den Film wirklich über Jahre recherchiert wurde, fehlt genau das. Man weiß zu wenig über sie. Sie zeigen sozusagen ihren Werdegang, bis sie Greiferin wird. Als Greiferin sieht man relativ wenig und dann erst wieder nach dem Krieg ein bisschen, wie damit umgegangen wird. Man sieht sie Feiern und Genießen, dass sie so eine gewisse Sicherheit gehabt hat und ein ausschweifenden Leben führen konnte. Dadurch, dass sie eben quasi geschützt war. Aber man man sieht wenig davon, ob sie damit hadert, wie es ihr damit geht, ihre eigenen Leute zu verraten.

Und das finde ich ein bisschen schwierig. Und auch die Nachkriegszeit. Sie kommt ins Gefängnis für zehn Jahre. Danach kommt sie irgendwie frei und konvertiert dann auch zum Christentum und entwickelt sich dann zur bekennenden Antisemitin. Also das ist wirklich eine wirklich komplexe Figur. Aber ich finde, dass der Film irgendwie ein bisschen unbefriedigend ist, weil weil er sehr vorsichtig mit dieser Figur umgeht und er sie sozusagen nur mit Samthandschuhen anfasst.

Ich finde, er hätte wesentlich kritischer dieser Figur gegenüber sein müssen. Er distanziert sich von einem echten reingehen in die Tiefe der Figur. Also, es sind irgendwie nur nacherzählte Fakten, die man nachlesen kann. Aber er geht der Figur nicht so richtig nah. Du erfährst gar nicht so wirklich, was mit ihr eigentlich passiert ist und wie sie sich dabei gefühlt hat. Dass sie diese Leute verraten hat. Und das ist mir zu flach. Das ist mir zu wenig. Und das ist mir dann, obwohl es sehr mutig ist, so ein Thema aufzugreifen, zu undifferenziert.

Wie hätten Sie es denn besser machen können?

Also es gibt ein paar Szenen, da wirkt sie als Täterin. Aber die hätte man wirklich explizit zeigen müssen. Es gibt ja in Menschen immer Ambivalenzen. Wir haben immer zwei Seiten. Ich glaube, dass in jedem Menschen ja mehrere Personen oder Persönlichkeiten drin stecken. Je nachdem, wie die Lebensumstände sind, kommen sie unterschiedlich heraus.

Stella hat zwei Seiten. Aber die Täterseite wird in meinen Augen nicht genug beleuchtet. Es wird nur die Opferseite beleuchtet. Und ich glaube, dass man es aber bei so einer Figur machen muss und als Regisseur das auch machen kann. Wenn man Leute an der Seite hat, mit denen man über viele Jahre recherchiert, dann wäre es für das Erzählen der Geschichte wichtig gewesen, sie mehr als Täterin zu zeigen und nicht nur als Opfer.

Was ist deine größte Kritik oder ist das deine größte Kritik?

Das wäre meine größte Kritik, dass man sie eben als Täterin so selten zeigt, sondern eher nur als Opfer.

Gibt es denn etwas, was dir besonders gut gefallen hat? Also was war da dein Highlight?

Es gibt eine eine Szene, die ein gutes Beispiel für moralische Ambivalenz zeigt: Stella feiert mit ihrem Lover, eben mit diesem Passfälscher Rolf Isaaksohn im nächtlichen Berlin. Die Fliegerbomben schlagen irgendwie überall um sie herum ein. Und sie? Sie sind auf so einer Sauftour und feiern in so einem leeren Appartement von irgendjemand. Da finden sie Champagner und tanzen auf dem Tisch. Und um sie herum fliegen diese Bomben. Also da wirkt sie das erste Mal so ein bisschen als Täterin. Ihr ist es völlig egal, was um sie herum passiert. Sie denkt nur an ihren eigenen Vorteil und an ihr eigenes Wohlbefinden und macht ihr eigenes Ding. Das ist eine der ganz wenigen Szenen, wo das vorkommt und das hat mir gefallen. Und mir hat auch gefallen, dass jemand generell diesen Mut hat, dieses Thema aufzuarbeiten.

Für wen könnte dieser Film etwas sein?

Ich denke, für Menschen, die historische Ereignisse interessant finden, die sich für den Zweiten Weltkrieg interessieren. Menschen, die Dramen mögen. Leute, die Biographien mögen. Es ist wirklich gut gespielt. Also ich finde, Paula Beer macht das hervorragend in in der Rolle als Stella Goldberg.

Aber es ist kein einfacher Film, der bringt einen schon viel zum Nachdenken. Es sind viele Dinge, die man so beginnt zu hinterfragen oder die man anders sieht, wenn man den gesehen hat. Es ist alles nicht so einfach. Also es ist kein Film, die man so wegguckt als reines Entertainment. Dafür ist er nicht gemacht.

Was ist deine Bewertung für diesen Film?

Schwierig. Schwierig. Ich würde sagen, wohlwollende 7 von 10 Goldblums. 

Good to Know…

STELLA. EIN LEBEN. ist ein packender Film von Kilian Riedhof („Gladbeck“), der – basierend auf jahrelangen Recherchen – gemeinsam mit Jan Braren (MEINEN HASS BEKOMMT IHR NICHT) und Marc Blöbaum (SEIN LETZTES RENNEN) auch das Drehbuch verfasst hat. 

Für die Titelrolle konnte die Ausnahme-Schauspielerin Paula Beer (ROTER HIMMEL, WERK OHNE AUTOR) gewonnen werden. Sie beeindruck durch ihr facettenreiches Spiel und mit ihrer mutigen Interpretation der Figur. Zur hochkarätigen Besetzung gehören außerdem Katja Riemann (ER IST WIEDER DA, ROSENSTRASSE) und Jannis Niewöhner (JE SUIS KARL, MÜNCHEN). Komplettiert wird das Ensemble durch Joel Basman (MONTE VERITÀ), Bekim Latifi (Ensemble der Münchner Kammerspiele), Lukas Miko (SCHACHNOVELLE), Damian Hardung (CLUB DER ROTEN BÄNDER), Gerdy Zint (SONNE UND BETON) u.v.a. 

Der Film läuft ab dem 25.01.2024 im Kino

Bildrechte: © Majestic/Jürgen Olczyk

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