Von Beate Geibel und Gregor Wildermann
Darum geht’s in AD ASTRA
Astronaut Roy McBride (Brad Pitt) reist an den äußersten Rand des Sonnensystems, um seinen vermissten Vater zu finden und mysteriöse Vorgänge aufzudecken, die das Überleben auf unserem Planeten bedrohen. Auf seiner Reise enthüllt er Geheimnisse, die die menschliche Existenz und unseren Platz im Universum in Frage stellen.
Hier könnt Ihr einen Blick auf den Trailer werfen
Was Beate sagt…
Die Reise des Helden im Kontext einer Vater-Sohn Beziehung, scheint für Regisseur James Gray ein wiederkehrendes Thema zu sein. Wie auch schon bei Grays Film, „The Lost City of Z” (2017), über einen Mann auf der Suche nach sich selbst, konzentriert sich Gray hier vollkommen auf die Odyssee ins Innerste des Astronauten Roy McBride (gespielt von Brad Pitt) und dessen Vater Clifford McBride (Tommy Lee Jones).
Die unterkühlte, distanzierte – dadurch eindringliche Art – wie Pitt und Jones diese Figuren verkörpern, wird in perfekter Harmonie von der Bildsprache getragen. Die Welt in der Zukunft ist eher trist, der Mond, inzwischen großflächig kolonialisiert und durchkommerzialisiert, wirkt wie ein banales Shopping Center unserer Zeit, mit den immer gleichen Markenartiklern, omnipräsenten Werbebanden und Heerscharen von lauten Touristen.
Mir gefällt, wie sehr sich diese im Grunde kaputte und zynische Welt in den Gesichtern der beiden Hauptfiguren widerspiegelt. Jede Furche in Pitts Gesicht findet ihr Echo im Rost der dem Zerfall preisgegebenen Gerätschaften und Raumschiffe. Die knappen Dialoge fangen die leisen Schwingungen der Stille des Weltraums ein und die kaum vorhandenen Farben zeichnen ein Bild von Vergänglichkeit und Desillusion.
Abzüge gibt es für die Frauenfiguren, allen voran die der Ruth Negga (Preacher), die hier trotz großer schauspielerischer Fähigkeiten, in einer Nebenrolle zur reinen Deko verkommt.
Mein Fazit
Ad Astra gelingt hier eine verdammt realistische Vision des Reisens im Weltraum der Zukunft, kühl, abgerockt und desillusioniert mit großartigen Darstellern. Für Freunde von SciFi und behutsam erzählten Geschichten, die gewohnt sind, sich auf das Erzählte erst einmal einzulassen, um dann im Laufe des Filmes davon getragen zu werden.
Daher: 9/10 Goldblums
Was Gregor sagt…
Die schlechte Nachricht gleich vorweg: Wann auch immer in den nächsten Wochen und Monaten die Sprache auf „Ad Astra“ kommt, sollte man sich vergewissern, ob ein Physiker, Astronom oder generell Naturwissenschaftler anwesend ist. Die dürften im Angesicht der Verzerrung von Möglichkeiten und Wahrheit über diesen Film eher verärgert als amüsiert sein. Antimaterie, Planetenringe, Flugzeiten oder Gravitation werden nach Lust und Laune so benutzt, wie es dem Drehbuch passt, aber spotten jeder Realität oder Logik. Was man bei „Gravity“ von Alfonso Cuarón noch in Anbetracht der schwerelosen Kameraführung hingenommen hatte, tänzelt hier in vielen Szenen inhaltlich an der Grenze des Slapstick.
Dabei mag das Regisseur James Gray („The Lost City of Z“) vielleicht sogar bewusst getan haben, da er selbst nach eigener Aussage das Sci-Fi-Setting nur als Interpretationsspielraum für seine Vater-Sohn-Geschichte nutzt. Gray ist eigentlich geübt in Milieustudien, doch im Gegensatz zu seinem Debütfilm „Little Odessa“ von 1994 scheint Ihn der Weltraum der nahen Zukunft doch etwas überfordert zu haben. Auf dem Papier mag seine Idee von einer Suche nach der Wahrheit in den Motiven des Vaters noch funktioniert haben, im fertigen Film stolpert Gray schlichtweg an der Umsetzung, die gewollt und bruchstückhaft wirkt.
Poetische Bilder
Dabei ist „Ad Astra“ optisch eigentlich beste Werbung für einen guten Grund, die Szenen auf Erde, Mond, Mars bis hin zum Neptun auch auf einer großen Kinoleinwand zu sehen. Der niederländische Kameramann Hoyte Van Hoytema („Interstellar„) nimmt den Zuschauer in jedem Moment mit auf die Reise und erzeugt geradezu poetische und stoffliche Bilder, deren Schönheit man in jeder neuen Einstellung einrahmen will. Man sieht dem Film an, dass auf real gebauten Sets gedreht wurde. Auch der Sound beziehungsweise die Stille des Weltraums spielt gekonnt mit den üblichen Spannungsdramaturgien, die sonst in ähnlichen Filmen untergebracht werden. Und die Verfolgungsjagd mit Mond-Buggys gehört in seiner Inszenierung sogar zu den besten Minuten von Computeranimation, die in letzter Zeit zu sehen war.
Doch all diese einzelnen Puzzlesteine wirken wie Scherben, die man nur ungern in die Hand nimmt oder auch keine Lust verspürt, sie noch mal zusammen zu setzen. Alle beteiligten Figuren, allen voran Brad Pitt als Astronaut Roy McBride, wirken desillusioniert, überfordert oder unfähig, sich dem Leben wirklich zu stellen. Bis auf eine Szene wirkt die Figur des Roy McBride in seiner Entwicklung wie ein Kühlschrank, bei dem der Temperaturregler in den Minusgraden festgerostet ist. Ja, Astronauten müssen cool und kontrolliert sein, damit sie im Ernstfall die Übersicht bewahren. Doch selbst in den privaten Momenten kann Roy diese Art nicht abstreifen.
Der Weltraum und seine Handlung ist für James Gray eher ein gigantisches Therapiesofa, bei der die depressiven Patienten wechseln und doch zu keiner Erkenntnis kommen. Selbst Charakterdarsteller wie Donald Sutherland als Colonel Pruitt oder Tommy Lee Jones als Vater Clifford McBride lässt das Drehbuch dabei nur Sprachhülsen absondern. Und ausdrucksstarke Frauen wie Liv Tyler oder Ruth Negga werden geradezu peinliche Statistenrollen zugewiesen. Bleibt am Ende noch die vielleicht beste Nachricht: Brad Pitt selbst kann über die Dauer von 122 Minuten mit seiner Präsenz die Aufmerksamkeit für die Handlung des Films fast immer aufrecht erhalten, aber schade, dass am Ende so wenig Erkenntnis bei der Reise zu den Sternen übrig bleibt.
Mein Wertung: 6 von 10 Punkten