Lesetipp: Die Blüte von Paris

Mit DIE BLÜTE VON PARIS erscheint der erste Comic der französischen Zeichnerin Gaëlle Geniller auf Deutsch. In der Geschichte geht es um Rose, einen jungen Mann, der innerhalb eines französischen Kabaretts in den 20er Jahren aufwächst. Zwischen Identitätsfindung, Tanz und Familie erlangt Rose dabei schnell einen gewissen Ruhm. Teilweise mehr als ihm lieb ist. 

Zum Inhalt von DIE BLÜTE VON PARIS

Rose, ein 19-jähriger junger Mann, wächst Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Pariser Kabarett auf. Wie alle jungen Tänzerinnen dort möchte auch er in extravaganten Outfits auf der Bühne auftreten. Durch sein Talent wird er schnell zur Hauptattraktion und verzaubert besonders Aimé, einen vom Leben gelangweilten Millionär. Feinfühlig unterstützt er Rose auf der Suche nach der eigenen Identität unabhängig vom biologischen Geschlecht.

Meine Review

Das Paris des frühen 20. Jahrhunderts, vermutlich um die 20er. Eine wilde Zeit voller Sturm und Drang, voller Möglichkeiten. Und zumindest im gezeichneten Paris auch mit erstaunlich wenig engstirnigen Menschen. Deutlich weniger als heute mag es scheinen. Rose wächst im Kabarett auf und wird praktisch vollständig von Frauen groß gezogen. Er spürt eine Nähe zu ihnen, sich ihnen verbunden und teilt ihre Liebe zum Tanz. Dadurch erwachsen in ihm Fragen nach seiner eigenen Identität. Er ist irgendwie nicht wie die Männer da draußen. Er fühlt sich den Frauen verbundener. Dennoch ist er sich vollends seines biologischen Geschlechts bewusst, und will dieses mitnichten verleugnen oder ändern.

Es ist eine Geschichte wie es sie heutzutage sehr viel öfter und lauter gibt. Jugendliche trauen sich heutzutage offener über ihre unklare Geschlechtsidentität zu sprechen. Wir wissen einfach inzwischen, dass das binäre System seine Grenzen hat und die ihm zugrunde liegenden Rollen vor allem durch das Patriarchat geprägt wurden. 

Trotzdem ist es auch heute für viele junge Menschen schwer sich selbst zu finden. Umso mehr, wenn diese in der Öffentlichkeit stehen, was dank sozialer Medien leichter denn je ist. Als Rose plötzlich in der Öffentlichkeit steht, ist ihm das schnell zu viel. Auf einmal wollen Menschen mitreden und von ihm Antworten, Definitionen – Dinge über die er sich doch selbst so gar nicht im Klaren ist.

DIE BLÜTE VON PARIS zeigt, wie überwältigend diese äußeren Einflüsse und Zwänge auf junge Menschen sein können. Man ist doch selbst gerade erst eine Knospe, woher soll man wissen in welche Richtung man sich entwickelt? Warum muss immer gleich alles definiert werden? 

Mein Fazit

Besonders spannend, fand ich, dass Gaëlle Geniller mir während unseres Interviews auf der Leipziger Buchmesse erzählte, dass sie diese Geschichte nie als große LBGTQI+ Geschichte intensioniert hatte. Vielmehr verarbeitete sie darin ihre eigenen Gefühle während des Aufwachsens, und sich selbst Findens. Eher zufällig, wurde Rose dabei ein Charakter, mit dem sich Geniller nun nicht nur selbst identifizieren kann, sondern so viele junge Menschen, die auch einfach nur die Ruhe und den Raum haben wollen, um sich selbst kennenzulernen. 

Soziale Medien können hier Heilsbringer wie auch Teufelswerk zugleich sein. Sie geben eine Möglichkeit sich auszuprobieren, darzustellen und eine Gemeinschaft zu finden. Aber gleichzeitig ziehen sie auch die Aufmerksamkeit von Leuten an, die einen nicht verstehen oder verstehen wollen. 

Ich finde Roses Geschichte genauso faszinierend, wie auch die von seinem treuen Verehrer Aimé. Die Zeichnungen sind wunderschön, und man merkt deutlich, dass Geniller auch aus dem Animationsbereich kommt. Der voll kolorierte Comic zeigt neben schönen Kostümen und Kulissen auch eine gleichzeitig unaufgeregte wie auch tiefgreifende Geschichte. 

Dafür gebe ich supergute 9 von 10 Punkten!

DIE BLÜTE VON PARIS von Gaëlle Geniller erschien im Carlsen Comics Verlag und ist für 26 Euro überall da erhältlich, wo es was zum Schmökern gibt!

Bildrechte: © Gaëlle Geniller / Carlsen Comics Verlag

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