Bildrechte: © Flix / Kibitz-Verlag

So lebt es sich als Comiczeichner in Deutschland – Flix im Interview

Auf der Leipziger Buchmesse 2024 stellte der Berliner Comiczeichner Flix seinen ersten Band speziell für Kinder vor: Das ZYX. Das Zyx ist ein ganz besonderes Wesen und dreht gewohnte Konventionen der guten alten ABC-Bücher eiskalt um. Wo die Inspiration dafür herkam und wie es sich so als Comiczeichner in Deutschland lebt, erzählte Flix uns im Interview.

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Früher wollte ich Boxer werden…

Seriasten.tv: Wolltest du schon immer Comiczeichner werden?

Flix: Nein (lacht). Ich hab da tatsächlich neulich erst mit meinen Kindern drüber gesprochen, was ich mal werden wollte. Als ich ganz klein war, wollte ich mal Boxer werden. Die Inspiration kam von einem Bud Spencer Film, in dem er einen Boxtrainer darstellt. Da dachte ich: Wenn Bud Spencer mich trainiert – dann kann ich das schaffen. Später fiel mir auf, dass das nichts wird. Dann wollte ich Zahnarzt werden. Quasi Profit aus den Boxkämpfen schlagen.

Einige Zeit danach, wollte ich dann Musiker werden. Ich hab das dann auch eine Weile verfolgt und habe im klassichen Bereich Klarinette gespielt. Da war ich auch gar nicht so unerfolgreich. Bis mir dann mit 16/17 etwa auffiel, wie krass gut andere spielen, und wie wenig Orchesterplätze es eigentlich gibt. Das war ein kleiner Schock. Aber ok, dann dachte ich, ich mach ich mein anderes Hobby eben zum Beruf. Und gezeichnet habe ich schon immer gerne.

Da hab ich gesehen: es gibt Comics in Buchläden zu kaufen. Leute lesen Comics. Also ist das ein Beruf. Ich bin da auch ganz naiv herangegangen. Hätte ich dass damals nüchtern betrachtet, hätte mir auffallen müssen, dass es wahrscheinlicher ist als Orchestermusiker zu leben, als von Comics.

Karriereweg: Comiczeichner:in – so geht’s (oder auch nicht)

Und wie bist du dann vorgegangen? Kunsthochschule und etwas in die Richtung lernen, oder einfach machen?

Ich hab einfach gemacht. Also ich habe tatsächlich studiert. Kommunikations und Mediendesign – das schien mir noch am ehesten in die Richtung zu gehen. Aber nebenher habe ich immer gezeichnet und war dann vor vielen Jahren einfach mal mit meiner Mappe auf der Buchmesse in Frankfurt und habe meine Sachen Verlagen gezeigt. Das war natürlich auch nur eine bedingt gute Idee. Auf einen Messesamstag haben die wenigsten Verlage noch groß Lust sich Dinge anzusehen. Aber einer, der Eichborn Verlag, nahm sich die Zeit und fand meine Sachen auch tatsächlich ganz gut.

Ob das jetzt der richtige Weg ist vorzugehen, weiß ich natürlich nicht. Aber für mich hat es funktioniert. Wenn ich mich aber in meinem Kolleg:innenkreis so umschaue, hat da eigentlich jede:r einen sehr individuellen Weg gehabt.

Ich habe das Privileg mir aussuchen zu können, was ich mache

Mittlerweile bist du hauptberuflicher Comiczeichner und kannst davon auch Leben?

Seit knapp 10 Jahren mache ich nichts anderes mehr. Ich mache nur noch Comics. Manchmal illustriere ich Bücher, aber eher so aus Spaß – also wirklich nur Projekte auf die ich wirklich Bock habe. Beispielseise bin ich ein großer Fan der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens. Und dann wurde ich gefragt, ob ich nicht eine Ausgabe davon illustrieren möchte. Und ja klar, dann mache ich das.

Oder als mich Juli Zeh ansprach, ob ich hier nicht mal Pferde für ihr neues Pferdebuch zeichnen könnte. Da waren meine Töchter natürlich aus dem Häuschen und meinten „Jaaaaa! Mach das!“. Also so kommen immer wieder Illustrationsaufträge daher. Aber ich suche jetzt nicht danach.

Im Alltag mache ich vor allem meine regelmäßigen Strips für die FAZ sowie für das Kindermagazin „Dein Spiegel“. Und das ist beides auch schon ausreichend. Nebenher entstehen dann immer mal eigene Bücher. Letzte Projekte waren da beispielsweise Spirou oder das Marsupilami, was mittlerweile auch große internationale Kooperationen sind.

Ich habe wirklich das große Privileg, dass ich mir weitestgehend aussuchen kann, was ich mache. Ich weiß nicht, ob das immer so sein wird, ist schließlich nicht selbstverständlich, das ist mir auch klar. Aber im Moment ist es so und das finde ich ganz toll.

Beschränken feste Aufträge die Kreativität?

Du hast ja mit der FAZ und „Dein Spiegel“ doch zwei große fixe Verpflichtungen. Machen solche Verpflichtungen im kreativen Bereich eigentlich auch etwas Druck? Hattest du im Zuge dessen jemals so etwas wie eine Schreibblockade?

Ricarda Eichler / Buchmesse Leipzig 2024
Ricarda Eichler / Buchmesse Leipzig 2024

Druck ja, Schleibblockade bisher nein. Also ich finde es tatsächlich manchmal anstrengend, immer wieder zwischen Projekten hin und her zu hüpfen.  Also im Grunde muss ich jede Woche einen Glückskind-Strip für die FAZ zu machen. Ich mache das immer montags. Setze mich hin, schreibe das und fange an zu zeichnen . Ziel ist es, dass der Strip dann spätestens Dienstagabend fertig ist. Da muss natürlich auch immer eine Idee da sein, die den Strip einigermaßen trägt. Und das gelingt mir schon, aber es ist durchaus ein Marathon. 

Das Tolle an diesen Zeitungsjobs ist: die sind regelmäßig. Und das Blöde daran ist: die sind halt regelmäßig. Die sind 52 Wochen im Jahr. Da wird keine Rücksicht auf Ferien oder auf Feiertage genommen. Also wenn Montags beispielsweise Pfingstmontag ist, dann wird das eben am Dienstag nachgedruckt. Der Job beinhaltet, dass ich 52 Stück davon im Jahr machen muss.

Die Strips sind inzwischen auch zu einem Stück ein Teil der Zeitung geworden. Die Leute mögen und erwaten die Comics, die schreiben sogar Leserbriefe. Du hast eine sehr treue Leserschaft da drin. Und das ist natürlich ein Riesenglück, so etwas zu bekommen. Aber nicht unanstrengend.

Und was ist, wenn auch du mal Urlaub machen möchtest? Oder gar krank bist? Produzierst du für solche Fälle vor?

Also für den Sommer produziere ich immer vor. Das ist auch manchmal ein bisschen schwierig, weil du ja was brauchst, was auf einigermaßen thematisch passt. Wir hatten das mal, ich weiß nicht mehr genau was da passiert war. Es war nicht der Beginn des Ukraine-Krieges, aber etwas ähnlich tragisches. Und ich hatte einen fertigen Heile-Welt-Strip, der dann natürlich so gar nicht gepasst hat.

Das ist dann der Nachteil der Tagesaktualität. Die Menschen lesen eine Zeitung tagesaktuell. Das bedeutet natürlich, dass auch mein Comic, zu dem Tag passen muss. 

Einsamkeit trotz Ruhm?

Du bist mittlerweile einer der bekanntesten  Comiczeichner Deutschlands. Setzt dich das auch unter Druck oder ist das ein persönliches Ziel, welches du erreichen wolltest?

Als ich angefangen habe, war der Wunsch wahrgenommen zu werden sehr groß.  Also ich glaube, das teilen viele Kreative. Egal, ob du Musik machst, dich mit einem Stand-Up-Programm auf die Bühne stellst, Theater spielst oder Bücher schreibst. Niemand macht so etwas und sagt „ja, aber ich will kein Publikum“.

Also ich wollte natürlich gelesen werden. Inzwischen muss ich mir das immer mal wieder klar machen, was für ein großes Publikum ich eigentlich habe. Also die FAZ ist immer noch eine der größten Tageszeitungen in Deutschland, die mit einer Auflage von über 300.000 Stück jeden Tag gelesen wird. 300.000 Leute, das ist eine Menge. „Dein Spiegel“ hat pro Ausgabe auch nochmal eine Auflage von 100.000 Stück. Das sind also nochmal 100.000 Leute. Das sind alles in allem schon wahnsinnig viele.Und denen darf ich was erzählen. 

Andererseits sitzt du an deinem Schreibtisch zu Hause und machst die eigentliche Arbeit sehr für dich. Das ist ja auch wiederum das Tolle am Comiczeichnen, dass du relativ wenig dafür brauchst. Also wenn du einen Film machst, dann brauchst du eine Kulisse, einen Hauptdarsteller und Kameramenschen und Licht und so weiter. Beim Comic nicht. Beim Comic denke ich mir das alles selber aus und bringe das alles selber aufs Papier. Das heißt, das ist manchmal auch sehr einsam. 

Als Comiczeichner bleibt man meist unerkannt, außer man zeichnet

Wie sieht denn der Comicbook-Ruhm in Deutschland aus? Wirst du auf der Straße erkannt und angesprochen? Kommen Leute auf dich zugerannt und wollen Autogramme? 

Zum Glück selten. Das passiert manchmal auf Festivals, wo auch klar ist, wer da ist. Comiczeichner haben ja erstmal grundsätzlich den Vorteil, dass ihre Figuren bekannt sind und nicht ihr Gesicht. Als Schauspieler wirst du überall gesehen. Als Comiczeichner nich – wenn ich nicht gerade irgendwo zeichne. Dann ist das natürlich für Leute erkennbar. 

Aber wenn es dann passiert, merke ich, wie schwierig das ist. Wie sehr das dein Leben beeinflusst, wenn du nicht mal irgendwo sitzen kannst in Ruhe deinen Kaffee trinken, ohne dass du fotografiert wirst.

Ist du das schon vorgekommen? 

Ja, im Rahmen von solchen Festivals. Da wirst angesprochen, selbst auf dem Klo. Da steht stann jemand neben dir und fängt einen Plausch mit dir an. Das ist komisch. Wenn ich mir vorstelle, dass so etwas immer so wäre, dann kann ich verstehen, warum sich manche Leute Häuser in bestimmten Vierteln mit extra hohen Mauern suchen.

Der Ruhm ist eigentlich schön. Also dass Menschen zu Signierstunden kommen, meine Werke lesen und kaufen, und dass du vom Zeichnen leben kannst. Das ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. 

Auch andere Medien haben ihre Reize

Du hast eben schon Film und andere Medien erwähnt. Könntest du dir vorstellen, dich auch in einem solchen anderen Medium auszudrücken? 

Ja, das sind durchaus Dinge, die ich echt liebe. Ich schaue sehr gerne Filme und mag einfach grundsätzlich gute Geschichten. Da ist es eigentlich Wurst, ob Film, Serie, Musik oder eben Romane und Comics. Wenn es eine gute Geschichte ist, bin ich dabei. 

Einmal hatte ich es auch ausprobiert mit Animation. Habe dabei aber schnell gemerkt, dass mir das zu aufwendig ist. Das kostet ja noch mal mehr Zeit,  als einen Comic zu zeichnen. In der Zeit, in der ich einen Film mache, habe ich aber X Comicseiten gezeichnet. Und dabei eben auch deutlich mehr Geschichte erzählt.Da geht es mir dann doch einfach mehr ums Erzählen.

Ich habe auch bereits Drehbücher geschrieben. Aber da kam dann schnell die Ernüchterung der Filmbranche: man führt viele Produzentengespräche und rauskommen tut am Ende (bisher zumindest) nichts. Aber immerhin hat es eine von mir geschriebene Bühnenfassung geschafft. Da habe ich gemeinsam mit Bernd Kissels eine Theaterfassung eines meiner Münchhausen Comic erarbeitet. Das war schon cool, damit mal in ein anderes Medium zu gehen.

Papier kann man sich auch an die Wand hängen 

Wie sieht dein kreativer Arbeitsprozess aus? Zeichnest du noch auf Papier oder ist das heutzutage alles digital?

Das heutzutage hängt natürlich von der Person ab. Ich persönlich zeichne noch sehr gerne auf Papier. Zu lange am Computer arbeiten strengt mich einfach auch an. Stundenlang ins Helle starren. Für bestimmte Prozesse lässt sich das nicht vermeiden. Aber ich mag diese Abwechslung. Ich entwerfe gerne am Bildschirm – da kann ich leichter Dinge komponieren und Seiten gestalten. Die so entstandenen Skizzen drucke ich mir dann aber tatsächlich auf Papier und mache die schwarzen Linien per Hand.

Das Ganze scanne ich dann ein, um es zurück am Rechner zu kolorieren. Ich suche da für mich Beste aus beiden Welten. Diese Phasen, wenn ich ein Album tusche, da bin ich nur am Papier. Das ist herrlich analog. Da ist der Computer über Wochen aus. 

Und ich weiß, andere machen das anders. Die arbeiten teilweise komplett digital und das funktioniert für sie super. Aber ich mag es einfach, mit Papier zu arbeiten. Dann hat man auch manchmal etwas, das man sich an die Wand hängen kann. 

Mit Spirou und dem Marsupilami bin ich als Kind schon aufgewachsen

Du hast schon ein paar Adaptionen gemacht: Faust, das Marsupilami oder Spirou. Auf der anderen Seite hast du deine eigenen Werke, wie Held oder Das Zyx. Was ist dir lieber? Eine komplett eigene Welt zu kreieren oder mit bestehenden Charakteren zu arbeiten?

Ich mache beides gern und versuche einfach Dinge auszuprobieren. Ich bin jemand, der sich ab einem gewissen Zeitpunkt bei Sachen langweilt. Wenn ich jetzt ewig lange Alben oder Serien machen würde, würde mich das auf Dauer anstrengen. Da bin ich einfach mental nicht der Typ für. 

Aber verschiedene Sachen zu machen, eigene Ideen umzusetzen und dazu Bilder zu finden – das ist super, da ich dabei völlig frei bin. Gleichzeitig ist es super spannend, eine Figur wie Spirou oder Marsupilami zu nehmen, die eine lange Geschichte und Tradition haben. Mit denen ich als Kind schon aufgewachsen bin und sie gelesen habe. Was kann ich dieser Figur,  von der es schon zig Alben gibt, hinzufügen? Was wäre noch neu und spannend?

Wie lief das bei Marsupilami und Spirou denn rechtlich ab? Muss man da eine Lizenz beantragen um mit den Charakteren arbeiten zu können? 

Das ist noch ein bischen komplizierter. Tatsächlich gibt es da mehrere Rechte-Inhaber:innen, die mitsprechen müssen und dürfen. Es ist ein mehrstufiges Bewerbungsverfahren. 

Bei Spirou war es so, dass der Comic sein 80. Jubiläum hatte und der Verlag dafür ein Album machen wollte. Die Idee dass das in Berin spielen könnte war dann bereits im Raum und dafür suchte man dann einen Zeichner,  der sich dort auch ein bisschen auskennt. Da bin ich dann reingerutscht. Ich musste dann zunächst einen Entwurf schreiben, ein Konzept aufzeigen, Skizzen und Probeseiten anfertigen, Farbproben machen undsoweiter.

Das dauerte ganz schön, bis dann letztlich alle zustimmten für dieses Projekt in Deutschland. Nachdem das hierzulande dann gut ankam, wurde es auch international verlegt und wurde so mit der Zeit immer größer.

Das Zyx stellt das ABC auf den Kopf

Lass uns doch noch kurz über dein aktuelles Werk sprechen: Das Zyx. Worum geht es da und was ist die Entstehungsgeschichte dahinter?

Das Zyx ist eine Geschichte für eine Zielgruppe für die ich bisher noch nicht gearbeitet habe. Ungefähr ab vier kann man das lesen. Für alle,  die entweder selber gerade lesen lernen oder sich zumindest für Buchstaben interessieren. Also die Zielgruppe, für die man sonst vor allem Vorlesegeschichten oder eben auch ABC-Bücher konzipiert. Sowas wie „A: Der Affe Anton ass eine Ananas“.  Solche Bücher habe ich mit meiner kleinen Tochter viel gelesen. Und dabei haben wir festgestellt, dass diese Bücher oft am Ende abkacken.

Also für A gibt es noch eine ganze Menge Wörter, mit B und so weiter auch. Aber je weiter man hinten rauskommt, V, W, X, Y, Z – am Ende kommt immer das Xylophon, der Yeti und dann das Zebra. Das ist blöd. Dann sagte meine Tocher irgendwann einfach, man müsse das andersrum machen. Und der Gedanke ließ mich nicht los.

Dann wollten wir das einfach mal ausprobieren und fingen mit Z an. Dafür haben wir einfach diese blöden Buchstaben zusammengefasst, also Z, Y und X – Zyx! Und so die praktisch in einem Rutsch abgefrühstückt und konnten zu den coolen Buchstaben ein Abenteuer machen. Und meinte Tochter meinte dann ich soll da ein Abenteuer schreiben, wo alles drin ist, was Kinder gut finden.

Das war dann die Herausforderung, das alles mit rein zu bringen. Deswegen sind da jetzt Ungeheuer, ein Spaghetti-Bolognese-Vulkan, Dinosaurier, Wale, Otter, Riesen, Zirkus, alles. Dann haben wir das auch noch gereimt. Es hat einen riesen Spaß gemacht dieses Buch zu schreiben. Es ist sehr organisch entstanden. Auch die Zeichnung. Die sollten ganz locker sein, nicht zu kompliziert. Es ist extrem lebendig geworden und ein superschönes Buch geworden. Auch das Format ist toll, tolles Papier, tolle Aufmachung, also ich bin richtig glücklich. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Das ZYX von Flix erschien im Kibitz-Verlag und ist für 15 Euro überall da erhältlich, wo es was zum Schmökern gibt!

Bildrechte: © Flix / Kibitz-Verlag

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