REVIEW: „THOR: TAG DER ENTSCHEIDUNG“ – Ragnarok’n’Roll (Kinostart: 31. Oktober 2017)

Von Christian Schmidt

Thor versteht keinen Spaß – zumindest dann nicht, wenn es um seine Frisur geht. Dumm nur, dass der haarprächtige Donnergott in seinem dritten Film, der den etwas generischen deutschen Untertitel „Tag der Entscheidung“ trägt, da überhaupt nichts mitzureden hat. Vor dem intergalaktischen Gladiatorenkampf gegen seinen „friend from work“, dem unglaublichen Hulk, muss seine güldene Haarpracht weg – ob es ihm gefällt oder nicht. Für die Zuschauer ist das natürlich großartig: Momente wie dieser sorgen dafür, dass der Film vor Selbstironie regelrecht aufblüht und zum wahrscheinlichen lustigsten (aber mit Sicherheit zum schrägsten) Marvel-Film wird, der bisher gemacht wurde.

Aber wie kommt es zu dieser Situation? Von bedeutungsschwangeren Albträumen geplagt, begibt sich Thor auf ein Abenteuer und erfährt dabei, dass die apokalyptische Zerstörung seiner Heimatwelt laut einer Prophezeiung kurz bevorsteht. Auf Asgard angekommen, enttarnt er nicht nur seinen verschlagenen Trickster-Bruder Loki und begibt sich mit der Hilfe von Doctor Strange auf die Suche nach seinem verschollenen Vater Odin, sondern stellt aus der Ferne auch fest, dass die Todesgöttin Hela aus ihrem Gefängnis entkommen ist, um Rache an Asgard zu nehmen. Bei einem Kampf wird nicht nur Thors Hammer zerstört, der blonde Hüne wird außerdem von der interstellaren Schnellstraße, dem Bifröst, geschleudert und findet sich auf dem Müllplaneten Sakaar wieder, der vom süffisant-exzentrischen Grandmaster regiert wird. Hier in Gefangenschaft geraten, muss er sich zur allgemeinen Belustigung dem grünen Wutklumpen Hulk in der Arena stellen, der nach Avengers 2: Age of Ultron via Raumschiff vom Weg abgekommen und nun ebenfalls auf Sakaar gestrandet ist. Die Uhr tickt: Thor und Hulk müssen entkommen und Hela muss aufgehalten werden.

Die Story klingt durchgeknallt – und das ist sie auch. Dass sich der Film dessen nicht nur bewusst ist, sondern seine Absurdität regelrecht zelebriert, ist wie zu erwarten auch seine größte Stärke. Dabei ist der neue Thor-Film ein weiteres Beispiel dafür, in welche Richtungen die große Franchise-Maschine Marvel gelenkt werden kann, wenn nur Leute mit der nötigen Verve am Steuerknüppel sitzen. In diesem Fall ist das der Neuseeländer Taika Waititti, der sich als Regisseur sowohl für die brillante Vampir-Mockumentary 5 Zimmer Küche Sarg als auch für die ersten Drehbuchentwürfe des wohl reizendsten Disneyfilms der letzten Jahre, Vaiana, verantwortlich zeigt. Das Ergebnis ist nicht nur eine knallbunte und schrille Space Opera mit Fantasy-Anleihen, die die Tonart und den Retro-Style von Guardians of the Galaxy auf die Spitze treibt. In erster Linie ist Thor: Tag der Entscheidung eine in ihren besten Momenten saukomische Buddy-Komödie, in welcher dem nordisch-herben Muskelmann der cholerische Hulk an die Seite gestellt wird. Der Spaß, den die Schauspieler ganz offensichtlich bei der Verkörperung ihrer Figuren haben, überträgt sich dabei mühelos auf den gesamten Film. Neben den bereits erwähnten Chris Hemsworth (Thor), Tom Hiddleston (Loki) und Mark Ruffalo (Bruce Banner / Hulk) sind dabei vor allem Jeff Goldblum (Grandmaster) und Cate Blanchett (Hela) zu nennen, die sich hier auf ihre Weise voll und ganz austoben dürfen. Wenn dann neben dem fleißig abgebrannten Gag-Feuerwerk auch abwechselnd Led Zeppelin und New Wave-Synthesizer aus den Lautsprechern donnern, Blitze in Zeitlupe vom Himmel zucken und als Sahnehäubchen Karl Urban seine texanischen Maschinengewehre „Des“ und „Troy“ abfeuert, ufert der Film stilistisch zum wohl vortrefflichsten Wrestling-Match aus, das jemals auf die Leinwand gebracht wurde.

Das bedeutet aber auch, dass jeglicher Tiefgang auf der Strecke bleibt – so interessant die komplizierten Familienbeziehungen zwischen den gottgleichen Geschwistern und Bruce Banners innerer Kampf mit seinem grünen Alter Ego auch zunächst erscheinen mögen, überzeugendes Drama und oder gar eine Geschichte mit Herz entwickelt sich damit noch lange nicht. Hier haben sowohl Guardians of the Galaxy als auch Spider-Man: Homecoming dem Film etwas voraus. Auch fehlt hier beispielsweise die an Inception erinnernde Meta-Ebene, die etwa bei Doctor Strange mit der Einführung des Multiversums zumindest angedeutet wird und damit gleichzeitig einen eleganten Twist in der Genre-Formel vollführt.

Fazit: Thor: Tag der Entscheidung ist ein knallbunter, im besten Sinne alberner Popcorn-Spaß, den man nicht zuletzt aufgrund seiner überaus stilsicheren, selbstironischen Inszenierung einfach genießen kann.

Wertung: 8/10 brachiale Hammerschläge

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